Lindt - Der teuerste Hase der Welt

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Lindt

Der teuerste Hase der Welt

Der erste Beitrag auf diesem Blog ist selbstverständlich etwas ganz Besonderes, weshalb ich mich dazu  entschieden habe, ihn einer Aktie zu widmen, die auf ihre Weise auch etwas ganz Besonderes ist. Diese ist nämlich aus monetärer Sicht eine Seltenheit in der internationalen Aktienlandschaft. Nach Berkshire Hathaway von Warren Buffett ist sie die teuerste Aktie der Welt. Teuer nicht im Sinne der zugrundeliegenden Bewertungskennzahlen, sondern hinsichtlich der absoluten Summe, die beim Kauf entrichtet werden muss. Es handelt es sich um die Aktie des Schweizer Schokoladenherstellers Lindt & Sprüngli. 

Während ich diesen Artikel verfasse, kostet eine einzige Aktie der Chocoladenfabriken Lindt & Sprüngli AG (WKN: 859568) stolze 98.800 CHF. Das sind beim aktuellen Währungskurs in etwa 94.300 Euro oder 31.433 Lindt-Schokohasen. Würde man, anstatt sich die Aktie zu kaufen, dieselbe Summe in die Schokotiere investieren und sich jeden Tag eines davon genehmigen, hätte man erst nach gut 86 Jahren alle aufgegessen. Ob der Insulinspiegel das so lange Zeit mitmachen würde, ist eine andere Frage. Die Aktie ist aus gesundheitlicher Perspektive deshalb bestimmt die bessere Wahl im Vergleich zur Süßigkeit mit dem roten Halsband und der goldenen Glocke. Ohnehin gibt es für Aktienbesitzer jedes Jahr eine leckere Sachdividende, mit der der Vorratsschrank für eine ganze Weile lang gefüllt sein sollte. In diesem Fall genügt schon eine einzelne Aktie, um in den Genuss eines mehrere Kilogramm schweren Aktienkoffers mit bunt gemischtem Schokoladeninhalt zu kommen, der den Besitzern per Post zugeschickt wird. 

Auch beim Blick auf die Kursentwicklung sollte als Aktionär bei Lindt & Sprüngli aus gesundheitlicher Perspektive alles glatt gehen. Atemnot, Schockstarren oder Herzrasen dürften bei einer Kursentwicklung von knapp 10% auf Jahressicht und gut 32% auf Dreijahressicht nicht eintreten.  

Entdeckt habe ich den Pfotenabdruck des Hasen, der mich zur Aktie führte, im April in Hamburg. In der Mitte eines des Einkaufscenters "Europa Passage" ragte ein goldenes Ungetüm empor. Ein goldener Hase, fast drei Stockwerke hoch, stand auf einer eigens dafür aufgestellten Bühne mitsamt Bühnentechnik, Lichtsystemen und Infowand. Die Oberfläche des Hasen bestand aus mehreren Tausend der kleinen Schokohäschen, die in Reih und Glied in einer übermannshohen Plastikfigur in Form des weltbekannten Schokotieres aufgestellt waren. 


Aus Marketingsicht ist die PR-Aktion zur Osterzeit, soweit ich das durch meinen kurzen Aufenthalt im Einkaufszentrum einschätzen kann, geglückt. Obwohl viele Menschen dem überdimensionalen Schokotier zwar nur im Vorbeigehen ein paar Blicke zuwarfen oder es ganz ignorierten, blieben andere davor stehen und betrachteten es eine Weile lang. Insbesondere den Männern, die außerhalb der Läden auf ihre shoppenden Frauen warteten, blieb gar nichts anderes übrig, als beim Anlehnen ans Geländer in den Innenraum des Gebäudes auf den Hasen zu blicken. 
Auch wenn ich persönlich die Osterleckereien von Milka oder Ferrero bevorzuge, wollen wir uns selbstverständlich trotzdem den fundamentalen Kennzahlen zur Aktie der Lindt & Sprüngli AG widmen.

Bewertungskennzahlen KGV, PEG Ratio, KUV

Im Jahr 2021 konnte ein Gewinn pro Aktie von 2.019 CHF erzielt werden, was beim aktuellen Kurs von 98.800 CHF ein KGV von 48,9 ergibt. Das KGV im Durchschnitt der letzten zehn Jahre liegt bei 42,7, was bedeutet, dass die Aktie aktuell im Vergleich mit dem historischen KGV um 14,5% überbewertet ist. Der faire Wert bei Berücksichtigung des historischen KGV läge somit bei rund 86.200 CHF pro Aktie.
Mit einem aktuellen KGV von 48,9 und einem erwarteten Gewinnwachstum pro Aktie von 14,9% vom Jahr 2021 auf 2022 laut den Zahlen von marketscreener, ergibt sich eine PEG Ratio von knapp 3,27 (KGV/Gewinnwachstum). Laut der Regel der PEG Ratio nach Peter Lynch, die besagt, dass alles unter dem Wert von 1 als unterbewertet und alles darüber als überbewertet gilt, scheint die Aktie auch auf dieser Bewertungsgrundlage deutlich zu teuer zu sein. 
Fairerweise muss man anfügen, dass das Coronajahr 2020 und teilweise auch 2021 für einen deutlichen Gewinnrückgang gesorgt haben, was das KGV in die Höhe schnellen ließ. Doch wenn man das historische KGV um die Jahre 2020 und 2021 bereinigt, gelangt man zu einem Durchschnitts-KGV der letzten acht Jahre von 37,6, was noch viel tiefer unter der aktuellen Bewertung von 48,9 notiert. Davon abgesehen ist selbst ein KGV im hohen 30-er Bereich ein sportliches Niveau, dem ein stärkeres Wachstum zugrunde liegen sollte, als es hier der Fall ist.  
Auf Basis der Schätzungen für 2022 mit 2.321 CHF Gewinn je Aktie liegt das KGV22 bei 42,6. Die PEG Ratio für 2022 (42,6/14,9) fällt entsprechend etwas niedriger aus als für das Vorjahr, ist mit 2,86 jedoch nach wie vor signifikant über dem fairen Wert von 1. 

Der Umsatz der Lindt & Sprüngli AG für das Jahr 2021 lag bei 4,6 Milliarden CHF und soll im Jahr 2022 auf knapp 4,9 Milliarden CHF und damit um rund 6,3% ansteigen. Auf Basis des Umsatz pro Aktie ergibt sich ein KUV von 3,62 für das Fiskaljahr 2021. Somit rangiert es etwas über der Schwelle von 2-3, bei der in der Regel von einer fairen Bewertung ausgegangen wird. Eine Unterbewertung sähe ich im Preisbereich von 1 bis zum 1,5-fachen des Umsatzes je Anteilsschein. Die Analysten gehen davon aus, dass der Gesamtumsatz in 2023 und 2024 gesteigert werden kann, erneut um rund 6% pro Jahr. Das könnte das KUV in etwas niedrigere Regionen fallen lassen. Ob die Umsatzsteigerungen allerdings auf diesem Niveau gelingen, bleibt abzuwarten.  

Insgesamt halte ich die Aktie im Moment nicht für kaufenswert, aufgrund des hohen KGV, der hohen PEG Ratio und des ebenfalls erhöhten KUV. Auch wenn sie gemeinhin aufgrund der Tradition des Chocolatiers in Kombination mit der Währungsdiversifikation des stabilen Schweizer Franken als Sicherheitsanker für ein Depot gilt und entsprechend mit einem Aufschlag gegenüber vergleichbaren Konsumgüteraktien gehandelt wird, liegt der Gewinn bekanntlich im Einkauf. Ein KGV im oberen 30-er bzw. sogar unteren 40-er Bereich kann meiner Meinung nach durch das vorliegende Gewinnwachstum, das im einstelligen Bereich liegt, nicht rechtfertigt werden. 



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